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Anschlussgebühren, Genehmigungsverfahren und Paragrafen sind längst keine baurechtlichen Belange der Neuzeit
Vor nunmehr 110 Jahren, am 10. März 1909 Jahren trat im Königreich Sachsen das Gesetz „gegen die Verunstaltung von Stadt und Land“ in Kraft, an das sich auch die „Ortsbauordnung für die Gemeinden Georgenthal mit Steindöbra und Aschberg“ anlehnte. Obwohl die damals eigenständige Gemeinde genauso wie Klingenthal selbst noch kein Stadtrecht hatte, war von der Gemeinde auch die Revidierte Städteverordnung Sachsens angenommen worden und damit auch die Verpflichtung, die Bebauung vor Ort weitestgehend zu regeln und die Bewohner per Verordnung in die Pflicht zu nehmen. Nicht zuletzt hatte auch Klingenthal bei seinen letzteren Anträgen zum Stadtrecht auch dieses Argument einer geltenden Städteverordnung in die Waagschale geworfen. Was dies für die Bewohner im Detail bedeuten konnte, zeigt das Beispiel der „Ortsbauordnung für die Gemeinde Georgenthal mit Steindöbra und Aschberg“ welche noch kurz vor Ende des 1. Weltkrieges zu Zeiten des Königreiches Sachsen in Kraft trat und neben Straßen- und Wegebau auch Hausgrößen, Geschosshöhen und Einfriedungen bestimmte.
Im Paragraph 2 des Gesetzes „gegen die Verunstaltung von Stadt und Land“ war Folgendes geregelt: „Die baupolizeiliche Genehmigung zur Ausführung von Bauten und baulichen Änderungen kann versagt werden, wenn durch die Bauausführung ein Bauwerk oder dessen Umgebung oder das Straßen- oder das Ortsbild oder das Landschaftsbild verunstaltet werden würde. (…)“
In insgesamt 37 Paragrafen plus Anhang war dabei zuallererst der Straßen- und Wegebau geregelt: Für Straßen sah die Bauordnung eine „Schotteroberfläche“ und für Fußsteige eine „starke Sanddecke“ vor. Straßen, welche mindestens sieben Meter von der Bauflucht Abstand hatten, sollten von Baumpflanzungen gesäumt werden. Auch ein Schleusensystem zur Entwässerung der Straßen war Ziel der Bauordnung. Doch nicht nur die Gemeinde selbst erlegte sich Bauauflagen, sondern auch die Grundstückeigentümer hatten Pflichten und wurden zusätzlich hierfür auch noch zur Kasse gebeten. Anschlussbeiträge oder Erschließungsgebühren sind längst keine neuzeitlichen Bürgerschrecken, sondern bedeuteten auch damals schon gesetzliche Zahlpflicht für die Einwohner:
Einerseits bestand laut Paragraf 5 eine „Verpflichtung zum Anschluss an die Schleusen. Bei bebauten Grundstücken“ andererseits regelte Paragraf 10 dann die „Umlegung des Aufwandes“ auf die Einwohner. Vorhandene Senk- und Sammelgruben durften im Falle eines Anschlusses an das öffentliche Netz nicht mehr genutzt werden. Zwei Drittel der Kosten sollte der Grundstückseigentümer, ein Drittel die Gemeinde tragen. Berechnungsgrundlage war die Länge des Grundstücks längsseits der Straße. Handelte es sich um ein Grundstück an einer Straße ohne Schleusen, so war der Bau von Sammelgruben ausdrücklich vorgeschrieben. Eine bloße Entwässerung etwa in die „grüne Wiese“ war untersagt.
Das alles galt allerdings nur für Regenwasser von Dächern und anderen bebauten Flächen. Eine Kanalisation für Fäkalien sah die Ortsbebauungsordnung nicht vor. Hierfür waren Sammelgruben zu nutzen. Insbesondere in bäuerlich geprägten Häusern wurden zudem noch blanke Eimer in Viehställen genutzt, deren Inhalt genauso wie der der Sammelgruben regelmäßig auf die Flächen verteilt wurde.
Auch war der Verbrauch von Wasser im Sanitärbereich um ein Vielfaches geringer als Heute: Badeanstalten oder das wöchentliche Aufstellen einer Zinkwanne für alle Familienmitglieder in der heimischen Küche verursachten nur wenig Brauchwasser. „Jedes Zimmer mit fließend Wasser“ war ein Luxus, den Hotels ausdrücklich in ihren Annoncen erwähnten. Beispielsweise warb so das Hotel „Brauner Hirsch“ im Stadtzentrum von Klingenthal. Gemeint war damit ein Waschbecken mit Hahn anstelle Schüssel und Wasserkanne. Doch das Plumpsklo war dort und auch in den Nachbargemeinden lange die vorherrschende Toilettenart, schließlich regelt auch die „Ortsbauordnung für die Gemeinde Georgenthal mit Steindöbra und Aschberg“: „Spülaborte sind (…) ausgeschlossen.“
Dass Regenwasser von Dächern auf sandigen Fußsteigen oder nur mit Schotter bedeckten Straßen regelmäßig für erhebliche Schäden gesorgt hätte, bleibt sicher eine berechtigte Erklärung für die Anschlusspflicht der Grundstückseigentümer. Zeitgeist war es aber auch, dass es selbstverständlich war, Sammelgrubeninhalte samst menschlicher Fäkalien auf Felder und Brachflächen zu verteilen. Einzige Bedingung laut Bauordnung hier: Der Nachbar sollte sich dadurch „nicht belästigt fühlen“. Und an dieser Stelle wurde das Regenwasser wieder Mittel zum Zweck: Bei Vorhersage von Regenfällen hofften die Einwohner auf schnelleres Versickern gegen die Geruchsbelästigung…(XB)URL: | |
Titel: | Streiflicht 1 |
Druckdatum: | 05.05.2025 |